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Gesellschaft für Naturschutz und Landschaftsökologie e.V.

Kolloquium 30 Jahre GNL – 30 Jahre Wirken für den Naturschutz

 

Am 21. Oktober 2023 fand im Kulturquartier Neustrelitz das wissenschaftliche Kolloquium anlässlich des dreißigjährigen Jubiläums der Gründung des Vereins „Gesellschaft für Naturschutz und Landschaftsökologie e.V“ statt. Insgesamt 60 Teilnehmer, darunter neben unseren Vereinsmitglieder auch Weggefährten, Kooperationspartner, Vertreter von Behörden und Verbänden verfolgten die Beiträge. Mitglieder unseres Vereins gaben auf der Grundlage langjähriger haupt- und ehrenamtlicher Tätigkeit ihre Resümees zu ausgewählten von Ihnen bearbeiteten Themen des Naturschutzes in M-V. Das Vortragsspektrum reichte von grundsätzlichen Positionierungen im Naturschutz bis zu lokalen Artenschutzprojekten. Umrahmt wurde das Programm durch einen Poetry Slam über die heimischen Fische und einen Film des Vereins Ostseelandschaft Vorpommern e.V. zur Friedländer Wiese.

Eröffnet wurde das Kolloquium durch den Vereinsvorsitzenden Dr. Arno Waterstraat, der nach der Begrüßung der Gäste einen kurzen Abriss zur Vereinsgeschichte gab (siehe auch Spieß & Waterstraat 2019).

Anschließend zog Hermann Baier Bilanz über den Freiraumschutz in Mecklenburg –Vorpommern in den letzten 25 Jahren. Zwischen 1994 und 1999 leitete er das vom Bundesforschungsministerium geförderte Forschungsprojekt zum Schutz unzerschnittener störungsarmer Räume (UZLAR). Die Projektkoordinierung und die Bearbeitung von drei Teilprojekten zur Raumnutzung von Säugetieren, Vögeln und Fischen wurden an der GNL durchgeführt. Im Anschluss an eine kurze Vorstellung des damaligen Projektes und seiner Zielstellung ging H. Baier auf die wichtigsten Ergebnisse, die vor allem im 2006 im Springerverlag erschienenen Fachbuch „Freiraum und Naturschutz“ zusammengefasst wurden, ein. Eine Umsetzung der erfolgte vor allem in der Eingriffsregelung und Landschaftsplanung in Mecklenburg-Vorpommern. Dagegen konnten sich die entwickelten Verfahren in anderen Bundesländern und auf Bundesebene nicht durchsetzen. Zusammenfassend wurde eingeschätzt, das M-V Vorreiter bei der Ausweisung und Definition dieses Schutzgutes war. Inzwischen scheint es in unserem Bundesland jedoch wieder in Vergessenheit zu geraten. Insbesondere mit Blick auf die neuen Herausforderungen Windkraft und Solarenergie drohen die störungsarmen Freiräume in M-V ohne eine Aktualisierung der Daten keine Berücksichtigung mehr zu finden. Dies machte H. Baier insbesondere an der aktuellen Ausweisung von Windeignungsgebieten deutlich.

Anschließend berichtete Dr. Frithjof Erdmann über Effekte des LIFE-Projektes „Galenbecker See“, insbesondere auf die Vogelwelt. Der See und sein Umfeld wurden wegen ihres überragenden Naturschutzwertes bereits 1938 unter Naturschutz gestellt. Da sich der Zustand des Gebietes aufgrund vielfältiger Nutzungskonflikte dramatisch verschlechtert hatte, wurde bereits 1999 unter Beteiligung der GNL eine Machbarkeitsstudie erarbeitet. Im Zeitraum 2005-2007 erfolgte schließlich die praktische Umsetzung aller Maßnahmen. Im Ergebnis kam es zur Ausbildung großer Flachwasserbereiche in der sogenannten Vernässungszone nordöstlich des Sees und zu einer sehr schnellen Verbesserung der Gewässergüte im Galenbecker See. Dies war mit einer deutlichen Zunahme der Wasserpflanzenbestände, insbesondere der Armleuchteralgen verbunden. Für viele Wasservogelarten hatte das erhebliche positive Konsequenzen. So kam es bei den Lappentauchern zu einer kontinuierlichen Zunahme der Bestände des Haubentauchers, während die Schwarzhalstaucher insbesondere in den ersten Jahren nach Abschluss des Projektes ihr Maximum hatten. Auch die Bestände von Höckerschwan, ausgewählten Entenarten und der Raubseeschwalbe haben sich deutlich erhöht. Zum Schluss seines Vortrages verwies Dr. Erdmann darauf, welch großen Einfluss das Gebiet für die rastenden und überwinternden Vögel in der Friedländer Wiese hat. Mit mehreren  Grafiken zu ihrer Raumnutzung machte er auf die Gefahr der Errichtung von Windkraftanlagen in der Friedländer Wiese aufmerksam.

Dr. Hans-Jürgen Spieß machte in seinem Vortrag auf die dramatische Situation der Buchenwälder in den Heiligen Hallen und im dazugehörenden FFH-Gebiet aufmerksam. Mit eindrucksvollen Bildern beschrieb er den schlechten Erhaltungszustand der Buchenwälder im FFH-Gebiet, der sich allerdings in der offiziellen Bewertung im Fachbeitrag Wald nicht widerspiegelt. Eindrücklich kritisierte er die mangelnde Berücksichtigung wesentlicher Kriterien im Schutzziel „natürliche Buchenwälder“ und die fehlende Zusammenarbeit zwischen Naturschutz- und Forstbehörden. Er forderte eine naturschutzfachliche Expertise zu den 60  bis zum Jahr2018 durch die Forstverwaltung eingereichten Fachberichten, die Bereitstellung zusätzlichen Personals und die Erarbeitung eines neuen Verfahrens zur FFH-Maßnahmenplanung und ihrer Umsetzung in den Wäldern durch die oberste Naturschutzbehörde des Landes.

In anschließenden Vortrag konzentrierte sich Dr. Rainer Holz auf die Rolle von Raum, Zeit und Stoffen in Natur und Landschaft. Er beschrieb für alle drei zentralen Größen des Naturhaushalts eine zunehmende Vertiefung der Probleme in der Kulturlandschaft. So kommen viele Arten mit ihren Reproduktionsszyklen nicht mit dem zunehmenden Tempo der Bearbeitung in der Agrarlandschaft zurecht. Damit im Einklang hat sich auch das Raumangebot für viele Arten drastisch reduziert und die Lebensräume wurden homogener. Schließlich kam es zu einem dramatischen Anstieg der Nährstoffdeposition in den Ökosystemen und Sedimentationsraten in den Gewässern. An diversen Beispielen machte der Referent die Auswirkungen dieser anthropogen verursachten Veränderungen für die Ökosysteme und Arten deutlich.

Der zweite Vortragsblock begann mit einem Poetry Slam zu den Fischwanderungen unserer Süßwasserfische durch Paulina Fabian. Ihr anlässlich des World Fish Migration Days 2022 verfasster Text beschreibt auf humorvoll-poetische Weise die Gefahren der Fischwanderungen in unseren Gewässern.

Dieses Problem wurde im anschließenden Vortrag zur Verbesserung der Fließgewässerdurchgängigkeit für Fische von Anika Weidig aufgegriffen. Zunächst wurden die verschiedenen Prioritätenkonzepte und der Anteil der GNL an ihrer Erstellung erläutert. Es wurde deutlich, dass trotz großer Anstrengungen noch eine hohe Zahl nicht oder schlecht überwindbarer Querbauwerke die Wanderung und den Austausch behindert. Auch die Funktionsfähigkeit der bisher ca. 300 fertiggestellten Fischaufstiegsanlagen wurde kritisch bewertet. Insbesondere ältere Anlagen weisen einen schlechten Zustand auf bzw. wurden bisher kaum hinsichtlich ihrer Effizienz kontrolliert. Doch auch bei den in den letzten 25 Jahren kontrollierten 100 Anlagen wies ein Großteil nur einen unzureichenden Zustand auf. Trotzdem konnte nachgewiesen werden, dass die bisherigen Prioritätenkonzepte dazu führten, dass insbesondere Bauwerke mit einem hohen Handlungsbedarf durchgängig gestaltet wurden. Bei Wanderfischen wie Meerforelle, Flussneunauge und Zährte konnten bisher nicht erreichbare Gewässerabschnitte wieder besiedelt werden. Künftige Probleme wie das sich verringernde Wasserdargebot, die kumulative Wirkung von Fischaufstiegsanlagen und das Auftreten natürlicher Hindernisses wie Biberdämme müssen künftig verstärkt berücksichtigt werden.

Dr. Arno Waterstraat fasste in seinem Vortrag 30 Jahre Naturschutzmonitoring in Mecklenburg-Vorpommern unter besonderer Berücksichtigung der Rolle der GNL zusammen. Die Motivation unserer Vereinsmitglieder speiste sich wissenschaftlich aus der Tradition des Forschunsgbereichs „Populationsökologie“ des Instituts für Landschaftsforschung und Naturschutzes und aus den rechtlichen Anforderungen des Naturschutzgesetzes M-Vs. So wurde im Jahr 1996 ein Naturschutzmonitoringskonzept für M-V unter Leitung der GNL erstellt. Zwischen 1999 und 2003 erarbeite die Arbeitsgruppe Monitoring des GNL- Projektbüros ein Methodenhandbuch für das Artenmonitoring und startete mehrere Überwachungsprogramme. Der Referent stellte anschließend die durch die GNL geleiteten Monitoringprogramme vor. Beispielhaft wurden Langzeitergebnisse bei Biber, Rotbauchunke, Bach- und Flussneunauge, Steinbeißer, der Fischgemeinschaft der Nebel und der Vegetation kalkreicher Klarwasserseen mit Armleuchteralgenvegetation vorgetragen. Abschließend wurde kritisch der Wandel wissenschaftlicher Programme zum naturschutzpolitisch begründeten Effizienzmonitoring diskutiert und Vorschläge zu einer Verbesserung der Situation gemacht. Gefordert wird eine kritische Revision aller Programme durch das verantwortliche Landesamt, die Förderung der wissenschaftlichen Auswertung über das reine Effizienzmonitoring hinaus, die verbesserte Zusammenarbeit aller Akteure und eine bessere regionale und überregionale Vernetzung.

Das Vortragsprogramm wurde durch Dr. Martin Krappe abgeschlossen, der maßgeblich durch die GNL mitgetragene Wiederansiedlungsprogramme in M-V ausgestorbener Tierarten vorstellte. Einleitend ging er auf fachliche Motivationen, rechtliche Regelungen, Definitionen und überregionale Wiederansiedlungen in unserem Bundesland ein. Anschließend beschrieb er die Wiederansiedlungsprogramme der Schaalseemaräne, der Ostgroppe und der Sumpfschildkröte. Für alle drei Programme beschrieb er die Ausgangssituation, die bisher durchgeführten Arbeiten, den Anteil unser Vereinsmitglieder und den aktuellen Stand der Projekte. Für alle drei Arten konnten erste Erfolge präsentiert werden. Allerdings bestehen mit der Einwanderung der Quaggamuschel im Schaalsee, den hohen Waschbärbestände im Sumpfschildkrötenwiederaussiedlungsgebiet und dem Auftreten kritischer Sauerstoffwerte im sommerlichen Tiefenwasser des Schmalen Luzins für alle Arten schwer kalkulierbare Risiken. Zusammenfassend wies der Referent auf die langen Zeiträume mit notwendigen Finanzierungen, die Notwendigkeit eines hohen ehrenamtlichen Engagements und den oft experimentellen Charakter der Wiederansiedlungen hin. Tendenzen des Gegeneinander Ausspielens von Habitatschutz und Artenschutz sollte entgegengetreten werden.

Das Kolloquium wurde durch den Film „Im Land der Steine“ über die Große Friedländer Wiese abgerundet (https://www.youtube.com/watch?v=HDpcPCAtlu0) Dieser durch den Verein Ostseelandschaft Vorpommern produzierte Beitrag zeigt einen anderen Blick auf die Landschaft. Im Mittelpunkt stehen die Herkunft, das Vorkommen und die ökologische Bedeutung der Feldsteine. Darauf aufbauend werden fast spielerisch die einzelnen Landschaftselemente, Biotope und Arten der Friedländer Wiese vorgestellt. Eindrücklich wird ihre Gefährdung, aber auch Schönheit in eindrucksvollen Bildern dargestellt.

Wir hoffen mit der Auswahl unserer Referenten und Beiträge allen Kolloquiumsteilnehmern nicht nur einen guten Überblick über 30 Jahre Naturschutzforschung- und –arbeit unseres Vereins gegeben zu haben, sondern auch Anregungen und Motivation für die eigene Naturschutzarbeit. Nur gemeinsam werden wir in der Lage sein, den notwendigen Schutz von Arten, Biotopen und der Landschaft zu erreichen.